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Baurechtsnovelle: Was passiert mit den Schrottimmobilien im Ortsbezirk 8?

Vorlagentyp: ST Magistrat

Inhalt

S A C H S T A N D : Stellungnahme des Magistrats vom 07.02.2014, ST 206 Betreff: Baurechtsnovelle: Was passiert mit den Schrottimmobilien im Ortsbezirk 8? Zu 1.: Im Rahmen der vom Ortsbeirat angesprochenen Baurechtsnovelle wurde bezüglich der sogenannten "Schrottimmobilien" neu geregelt, dass ein Rückbau- und Entsiegelungsgebot nach § 179 Baugesetzbuch (BauGB) nun auch für bauliche Anlagen außerhalb des Geltungsbereichs eines Bebauungsplans ausgesprochen werden kann. Bisher war die Anwendung dieser Regelung auf beplante Gebiete beschränkt. Mit der Gesetzesänderung erweitert sich der Einsatzbereich dieses Instruments auf die im Zusammenhang bebauten Ortsteile nach § 34 BauGB. Im Ortsbezirk 8 betrifft dies die nördlichen Bereiche von Niederursel und das Nordwestzentrum. Festzustellen ist in diesem Zusammenhang, dass das Rückbaugebot aufgrund des sehr starken Eingriffs in das Eigentum stets nur die Ultima Ratio ist. Bevor dieses letzte Mittel wirklich eingesetzt wird, müssen immer alle milderen Maßnahmen wie das Modernisierungs- und Instandsetzungsgebot nach § 177 BauGB vorher voll ausgeschöpft worden sein und das Erfordernis und die Zumutbarkeit des Rückbaugebots zweifelsfrei feststehen. Durch diese hohen Hürden wird auch nach der BauGB-Novelle die Durchsetzung eines Rückbaugebotes auf Einzelfälle beschränkt bleiben. Bei der Anwendung des § 179 BauGB sind zudem auch Kostenaspekte zu berücksichtigen. Zwar sind durch die Novelle nunmehr die Beseitigungskosten vom Eigentümer bis zur Höhe der ihm durch die Beseitigung entstehenden Vermögensvorteile zu tragen. Die Gemeinde muss jedoch in Vorkasse gehen, da § 179 BauGB nur eine Duldungspflicht des Eigentümers bewirkt und keine Handlungspflicht wie bei den anderen städtebaulichen Geboten. Damit entstehen finanzielle Aufwendungen, deren Refinanzierung geklärt sein muss. Eine Förderung der gesamten Abbruchkosten durch Städtebaufördermittel ist nicht vorgesehen. Ein weiteres finanzielles Risiko liegt für die Gemeinde darin, dass sie nach § 179 Absatz 3 BauGB weiterhin den Eigentümer für durch die Beseitigung entstehende Vermögensnachteile entschädigen muss beziehungsweise dass von ihr die Übernahme des Grundstücks verlangt werden kann. Zu 2.: Eine solche systematische Einstufung hat der Magistrat nicht vorgenommen. Aufgrund des lediglich als Ultima Ratio einzuordnenden gesetzlichen Mittels und der hohen finanziellen Anforderungen wird dies auch zukünftig stets eine Einzelfallentscheidung sein, die aus einem konkret gegebenen Anlass resultiert. Die Gesetzesnovelle wird nicht dazu führen, die Bausubstanz von Gebäuden systematisch und flächendeckend zu erfassen. Der Magistrat ist jedoch in Vorbereitung von Maßnahmen, die bisher mindergenutzten oder leerstehenden Immobilien verstärkt für den Wohnungsmarkt zu aktivieren. Entsprechende Konzepte und Beschlussvorlagen werden zu gegebener Zeit der Stadtverordnetenversammlung und den Ortsbeiräten vorgelegt. Zu 3.: Der Rahmenplan Alt-Niederursel ist ein informelles Planungsinstrument, das keine formellen Handlungen auslöst. Auch hier sind zunächst alle anderen Mittel auszuschöpfen. Ein erhöhter Handlungsdruck ergibt sich hierbei erst, wenn die entsprechenden Gebäude in ihrer Standsicherheit gefährdet oder längere Zeit ungenutzt sind, was nach derzeitigem Kenntnisstand nicht der Fall ist. Zu 3a.: Der Magistrat ist bezüglich der genannten Liegenschaften seit mehreren Jahren immer wieder beratend tätig. In diesem Rahmen wurden im Jahr 2010 auch Stadtteilarchitekten beauftragt, die die Eigentümer im Hinblick auf mögliche Umbau-, Erweiterungs- und Sanierungsmaßnahmen ausführlich beraten haben. Leider blieben diese Beratungen ohne Erfolg. Hierbei ist zu bemerken, dass die abschließende Entscheidung zur Durchführung von Sanierungs- oder sonstiger Baumaßnahmen allein beim Eigentümer liegt. Er muss daher willens und - etwa finanziell - imstande sein, die Maßnahmen durchzuführen. In einigen Fällen, insbesondere bei Grundstückseigentümern in schwierigen Lebenssituationen, ist dies bedauerlicherweise nicht der Fall, was letztendlich hinzunehmen ist. Etwas anderes gilt nur bei Verstößen gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften, insbesondere bei Gefahren, die von den Liegenschaften ausgehen. In diesen Fällen könnten allerdings nur die Maßnahmen gefordert werden, die zur Beseitigung der Gefahr erforderlich sind. Diese führen in der Regel jedoch nicht zu einer Aufwertung der betreffenden Gebäude. Für Anordnungen zur Verbesserung der baulichen Qualität bietet in den vom Ortsbeirat genannten Fällen weder die Hessische Bauordnung (HBO) noch das BauGB eine rechtliche Grundlage. Zu 3b.: Das beim Magistrat - Bauaufsicht - anhängige Verwaltungsverfahren wegen der ungenehmigten Lagerung von Gegenständen auf dem Flachdach des auf der Liegenschaft Weißkirchener Weg 34 befindlichen Gebäudes wurde im April 2007 abgeschlossen, nachdem zuvor im Herbst 2005 die gelagerten Gegenstände im Wege der Ersatzvornahme entfernt wurden. Das im Juni 2006 eingeleitete Verwaltungsverfahren wegen der nicht genehmigten Nutzung des Flachdaches als Terrasse wurde aus Ermessensgründen im Februar 2008 eingestellt. Auf Verwaltungsmaßnahmen wurde damals verzichtet, da die bisherigen Erfahrungen mit dem Eigentümer gezeigt hatten, dass Vollstreckungsversuche bei ihm regelmäßig erfolglos blieben und Verfügungen insoweit kaum durchsetzbar waren. So konnten sämtliche Verfahrenskosten im Zusammenhang mit der vorgenannten Ersatzvornahme nie beigetrieben werden und wurden schließlich niedergeschlagen. Hinsichtlich des seinerzeit beim Regierungspräsidium Darmstadt (RP) anhängigen Verwaltungsverfahrens hat das RP auf Anfrage erklärt, dass dieses abgeschlossen wurde, da zwischenzeitlich eine Räumung des Grundstücks erfolgt war. Weiterhin hat das RP mitgeteilt, dass dort derzeit wegen eines erneuten abfallrechtlichen Verstoßes ein neues Verfahren anhängig ist. Seitens des RP sind auch bereits entsprechende Verwaltungsmaßnahmen eingeleitet worden, die den Eigentümer zur Räumung verpflichten. Das Verfahren wird beim RP fortgeführt. Zu 4. und 4a.: Für die Liegenschaft Bernadottestraße 57 wurde im Jahr 1998 die Baugenehmigung zur Errichtung von fünf Reihenhäusern mit Tiefgarage erteilt. Ende 2004 wurde eine veränderte Ausführung genehmigt. Bis heute wurden lediglich zwei der fünf Reihenhäuser im Rohbau errichtet. Seit einigen Jahren findet keine Bautätigkeit mehr statt mit der Folge, dass die Baugenehmigungen inzwischen verfallen sind. Nach den Feststellungen des Magistrats ist das Gelände gegenwärtig ausreichend abgesichert, Gefahren sind keine erkennbar und eine Nutzung der Liegenschaft findet nicht statt. Insoweit besteht keine Möglichkeit, hier mit bauordnungsrechtlichen Mitteln vorzugehen. Der Erlass eines Baugebots nach § 176 BauGB wird derzeit nicht erwogen. Hier bestehen ähnlich hohe Hürden wie beim Rückbaugebot nach § 179 BauGB. So kann ein Baugebot nach § 176 Absatz 3 BauGB regelmäßig nur dann angeordnet werden, wenn die Durchführung des Vorhabens dem Eigentümer wirtschaftlich zumutbar ist. Ist dies nicht der Fall, kann der Eigentümer gemäß Absatz 4 von der Gemeinde die Übernahme des Grundstücks verlangen, was wiederum eine Entschädigungspflicht der Gemeinde auslöst. Auch Baugebote bleiben in der Praxis daher auf wenige Einzelfälle beschränkt. Nach Kenntnis des Magistrats befindet sich die Liegenschaft Bernadottestraße 57 in der Zwangsversteigerung, weswegen von der nach § 176 Absatz 3 BauGB erforderlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Eigentümers nicht ausgegangen werden kann. Im Übrigen finden seit 2012 Bauberatungen zu einer Wohnbebauung statt, zuletzt im April 2013, sodass durchaus davon ausgegangen werden kann, dass sich in naher Zukunft Bauwillige für das Grundstück finden lassen. Zu 4b.: Der Begriff der "Schrottimmobilie" ist gesetzlich nicht definiert. Der Muster-Einführungserlass zum Gesetz zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts (BauGBÄndG 2013 - Mustererlass) beschreibt "Schrottimmobilien" als Problemimmobilien im Sinne von § 177 Absatz 2 und 3 Satz 1 BauGB, bei welchen es sich um heruntergekommene, verwahrloste Immobilien handelt, die an unterschiedlichen Standorten innerhalb des Gemeindegebiets gelegen sein können und eine städtebauliche und stadtentwicklungsplanerisch sinnvolle Nutzung des betroffenen Bereichs unmöglich machen oder wesentlich erschweren. Die Beurteilung, ob beziehungsweise ab welchem baulichen Zustand die beiden im Rohbau befindlichen Einfamilienhäuser auf dem Grundstück Bernadottestraße 57 als "Schrottimmobilien" in diesem Sinne zu werten sind, ist schwierig. Gegenwärtig erscheint dies bei den wenige Jahre alten Rohbauten zumindest fraglich. Letztendlich geht es im Kern vielmehr um die Frage, ob und inwieweit gegen den Missstand vorgegangen werden kann. Hierzu wird auf die vorstehenden Ausführungen unter Punkt 4./4a. verwiesen. Vertraulichkeit: Nein dazugehörende Vorlage: Auskunftsersuchen vom 31.10.2013, V 873 Antrag vom 20.10.2014, OF 529/8 Auskunftsersuchen vom 06.11.2014, V 1161 Anregung an den Magistrat vom 01.12.2016, OM 1037 Auskunftsersuchen vom 18.05.2017, V 457 Antrag vom 06.11.2018, OF 373/8 Auskunftsersuchen vom 29.11.2018, V 1076

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