Fluglärmbelastung in Frankfurt
Vorlagentyp: A fraktionsunabhängig
Inhalt
S A C H S T A N D :
Anfrage vom 01.05.2012, A 152 Betreff: Fluglärmbelastung in Frankfurt
Mit den Berichten B 164 und
169 vom 16.04.2012 wurden die Anfragen A 92 und A 93 vom 04.01.2012 beantwortet
bzw. nicht beantwortet. Gegenstand der Anfrage waren Maßnahmen gegen den
zunehmenden Fluglärm. Zur Frage der Haltung des Magistrats zur
Nachtflugregelung führte der Magistrat u.a. aus, dass "der Magistrat ... dem
Ergebnis des Mediationsverfahrens zugestimmt (hatte). Dieses beinhaltete, dass
Ausbau und ... Schutz der Nachtruhe untrennbar verbunden seien.
Konsequenterweise hat der Magistrat gegen die im Planfeststellungsbeschluss
enthaltende Regelung, planmäßige Flüge von 23 bis 5 Uhr zuzulassen, geklagt".
Weiterhin wird ausgeführt, dass "Ausbau und Nachtflugverbot ... unverändert die
Position des Magistrats" sei. Der Magistrat hatte jedoch keineswegs
"konsequenterweise" die Nachtflugregelung beklagt. Der Magistrat hat hierzu
keinen Beschluss gefasst. Im Gegenteil wurde der entsprechende Beschluss der
Stadtverordnetenversammlung (§ 3138), mit dem der Magistrat beauftragt wurde,
die Nachtflugregelung im Wege der Klage anzugreifen, aufgrund eines Vetos der
Oberbürgermeisterin gem. § 63 HGO zunächst nicht umgesetzt. Dies konnte erst
erfolgen, nachdem dieses Veto in einer Sondersitzung durch die
Stadtverordnetenversammlung wieder aufgehoben wurde. Die daraufhin vom
Magistrat verfasste Klageschrift umfasste kümmerliche 3 1/2 Seiten, in denen
die überragende Bedeutung des Flughafens erläutert wurde. Die Klage selbst
wurde mit keinem Satz begründet. Die Oberbürgermeisterin begründete ihr Veto in der
Plenarsitzung am 16.02.2008 wie folgt: "Ich möchte Ihnen verdeutlichen, dass
mit einer Beschlussfassung im Sinne des von mir eben zitierten Antrages dem
wirtschaftlichen und sozialen Wohl der Stadt Frankfurt schwerer Schaden
zugefügt würde." Und weiter: "Dieser Beschluss, der damals gefasst wurde und
dem ich widersprochen habe, ... bedeutet neben einer Beschädigung der
städtischen Infrastruktur auch eine Verhinderung von Arbeitsplätzen sowie eine
drohende Vernichtung derselben. In der Folge ergibt sich ein negativer Beitrag
zur sozialen Leistungsfähigkeit unserer Stadt." Sollten diese Ausführungen zutreffen, hätte der
Magistrat mit seiner angeblich "unveränderten Position" "dem wirtschaftlichen
und sozialen Wohl der Stadt Frankfurt schweren Schaden zugefügt" und eine
"Beschädigung der städtischen Infrastruktur" verursacht. Dies würde den
Aufgaben des Magistrats widersprechen, der dem Wohl der Stadt verpflichtet
ist. Auf die Frage, ob die in 2010
vorgestellten - und teilweise angeblich auch umgesetzten - 7 Maßnahmen zu einer
Reduzierung der Lärmbelastung in Frankfurt führen, antwortete der Magistrat,
dass "eine Bewertung des Lärmminderungsbeitrags ... vom Magistrat
unaufgefordert vorgestellt wird, sobald die Ergebnisse vorliegen". Angesichts
der vor zwei Jahren begonnenen Umsetzung der Maßnahmen stellt sich die Frage,
wie lange der Magistrat benötigt, um die vorhandenen Lärmdaten auszuwerten und
ein Ergebnis vorzustellen. Zur Frage der kurzfristig durchzuführenden Maßnahmen
führte der Magistrat aus, dass kurzfristig realisierbar "größere Überflughöhen
und mehr Sinkflugverfahren (Continuous Descent Operations, CDO)" seien. Hier
stellt sich die Frage, was der Magistrat unter "kurzfristig" versteht, d.h.
wann die Maßnahmen tatsächlich umgesetzt werden können und welche Entlastung
diese bringen werden. Als weitere Maßnahme nennt der Magistrat die Nutzung
"lärmärmere Flugzeuge". Hierzu führt er aus: "Hier gilt es Wege zu finden, um
die Luftverkehrswirtschaft zu entsprechenden Modernisierungsmaßnahmen an der
Flotte zu veranlassen." Hier stellt sich die grundsätzliche Frage, wie sich der
Magistrat dies konkret vorstellt und welche zeitlichen Dimensionen er dabei im
Blick hat. Die Lebensdauer eines Verkehrsflugzeuges beträgt im Durchschnitt
deutlich über 30 Jahre (Anm. hierzu: das älteste in den vergangen Monaten am
Flughafen Frankfurt eingesetzte Flugzeug absolvierte seinen Erstflug am
23.03.1973). Angesichts der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ist nicht davon
auszugehen, dass Fluggesellschaften freiwillig kostenintensive
Modernisierungsmaßnahmen an ihren Flotten vornehmen bzw. wirtschaftlich dazu in
der Lage sind. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Nutzungsdauer eher
länger wird und Flugzeuge erst nach deutlich über 30 Jahren durch neue ersetzt
werden. Auf die Frage, welche Möglichkeiten
der Magistrat zur Lärmentlastung für die besonders belasteten südlichen
Stadtteile Frankfurts sieht, antwortet er, dass ab Herbst 2012 ein zweites
Instrumentenlandesystem mit einem steileren Anflugwinkel (3,2° statt 3,0°)
installiert würde. Hier stellt sich die Frage, aus welchen Gründen dieses nicht
bereits mit Errichtung der neuen Landebahn installiert wurde und wie viele
Flugzeuge dies dann auch tatsächlich nutzen. Die gleichzeitige Verwendung
zweier Instrumentenlandesysteme deutet darauf hin, dass auch beide Systeme
parallel genutzt werden, mithin nur ein Teil der anfliegenden Flugzeuge auch
tatsächlich steiler anfliegen werden. Doch selbst wenn sämtliche Flugzeuge das
neue System nutzen würden, wäre die Lärmreduzierung in einem Bereich, der kaum
messbar, keinesfalls jedoch akustisch wahrnehmbar wäre. Nicht beantwortet werden vom Magistrat die Fragen
nach der prognostischen Lärmentwicklung. Der Magistrat gibt als Planungsziel
der Flughafenerweiterung die Erhöhung der Anzahl der Flugbewegungen auf
mindestens 700.000 an, mithin um fast 50 % im Vergleich zu 2011. Wenn somit die
Lärmbelastung - ausgehend vom Ist-Zustand - reduziert werden soll, müssen die
Maßnahmen zur Lärmreduzierung die prognostische Zunahme der Flugbewegungen
überkompensieren. Da die vom Magistrat genannten Maßnahmen - selbst wenn sie
alle durchführbar sein sollten - hierzu in keinem Fall ausreichen, stellt sich
die Frage nach einer maximal vertretbaren Flugbewegungszahl. Dabei ist die Fluglärmbelastung in den südlichen
Stadtteilen Frankfurts bereits heute höher als für den Prognosezeitpunkt 2020
mit 700.000 Flugbewegungen prognostiziert. Der Mittelungspegel an der
Messstation Niederrad (Friedrich-Froebel-Schule) betrug in den vergangenen 6
Monaten (01.11.2011-30.04.2012) 57,5 dB(A) liegt, während er im Ausbaufall bei
57,0 dB(A) liegen sollte. An der Messstation Frankfurt-Sachsenhausen lag der
Mittelungspegel im selben Zeitraum bei 60,3 dB(A), während er im Ausbaufall bei
etwa 59 dB(A) liegen sollte (Abb. 1 und 2). Hinzu kommt, dass sich die
Fraport-Prognose auf die 6 verkehrsreichsten Monate bezieht, der aktuelle
Beobachtungszeitraum jedoch 6 verkehrsarme Monate umfasst. Vor diesem Hintergrund frage ich den Magistrat:
1. Hat der Magistrat selbst beschlossen, gegen die
Nachtflugregelung Klage einzulegen oder hat er diese Klage nur deshalb
eingereicht, weil die Stadtverordnetenversammlung einen entsprechenden
Beschluss gefasst hatte, gegen den die Oberbürgermeisterin ihr - später
zurückgewiesenes - Veto eingelegt hatte? 2. Stimmt der Magistrat den Ausführungen der
Oberbürgermeisterin zu, die am 16.02.2008 ausgeführt hat, dass ein
Nachtflugverbot "dem wirtschaftlichen und sozialen Wohl der Stadt Frankfurt
schwerer Schaden zugefügt würde" und "... eine Beschädigung der städtischen
Infrastruktur ..." bedeuten würde? 3. Wann (Datum) wird der Magistrat in der Lage sein,
über die Ergebnisse der Umsetzung der in 2010 vorgestellten 7 Maßnahmen zur
Lärmreduzierung zu berichten ? 4. Was versteht der Magistrat unter "kurzfristig
realisierbar" im Zusammenhang mit seinen Ausführungen zu größeren Überflughöhen
und mehr Sinkflugverfahren ? 5. Zu welchem Zeitpunkt (Datum) werden nach
Auffassung des Magistrats die unter 4. genannten Maßnahmen tatsächlich
umgesetzt ? 6. Bei wie vielen Anflügen (bzw.
Prozentsatz) werden die unter 4. genannten Maßnahmen nach Auffassung des
Magistrats auch tatsächlich umgesetzt ? 7. Auf welche Weise glaubt der Magistrat darauf
hinwirken zu können, dass "die Luftverkehrswirtschaft entsprechende
Modernisierungsmaßnahmen an der Flotte" durchführen wird ? 8. Aus welchen Gründen wurde das
Instrumentenlandesystem mit einem steileren Anflugwinkel (3,2° statt 3,0°)
nicht bereits beim Bau der neuen Landebahn geplant und errichtet ? 9. Welcher prozentuale Anteil der Landungen wird
nach Auffassung des Magistrats in Zukunft auch tatsächlich über das neue
Instrumentenlandesystem durchgeführt ? 10. Geht der Magistrat davon aus, dass die von ihm
genannten Maßnahmen zur Lärmminderung angesichts der prognostischen Zunahme der
Flugbewegungen von fast 50 % tatsächlich zu einer Lärmreduzierung im Vergleich
zum heutigen Zustand führen werden ? 11. Hält der Magistrat angesichts der bereits
derzeit vorhandenen Lärmbelastung eine weitere Zunahme der Flugbewegungen für
verantwortbar ?
Abb. 1 Lage der Messstation Frankfurt-Niederrad in der
Karte mit der Darstellung der Isokurven für den Planfall 2020 (Abb. 7-3 des G
10.1) Abb. 2 Lage der Messstation Frankfurt-Sachsenhausen in der
Karte mit der Darstellung der Isokurven für den Planfall 2020 (Abb. 7-3 des G
10.1) Antragstellende Person(en):
Stadtv. Dr.
Dr. Rainer Rahn Vertraulichkeit: Nein dazugehörende
Vorlage:
Bericht des Magistrats vom 16.04.2012, B 164
Bericht des
Magistrats vom 16.04.2012, B 169
Bericht des
Magistrats vom 16.07.2012, B 317
Versandpaket: 02.05.2012 Aktenzeichen: 79 3