Umsetzung des Antrages NR 164 .Die Region und der Flughafen: Schutz von Lebensqualität und Gesundheit.
Vorlagentyp: A fraktionsunabhängig
Inhalt
S A C H S T A N D :
Anfrage vom 04.01.2012, A 92 Betreff: Umsetzung des Antrages NR 164
"Die Region und der Flughafen: Schutz von Lebensqualität und
Gesundheit" In der Plenarsitzung vom 15.12.2011 wurde der Antrag
NR 164 der CDU und Grünen Fraktion vom 12.12.2011 durch die
Stadtverordnetenversammlung beschlossen. Mit dem Antrag wurde der Magistrat
aufgefordert, ein von verschiedenen Kommunen verfasstes Positionspapier zum
Thema Fluglärm zu unterzeichnen und sich für die Umsetzung der darin
enthaltenen Forderungen einzusetzen. In dem Positionspapier wird ausgeführt, dass der
"Nicht-Erweiterungsbeschluss" der seinerzeitigen hessischen Landesregierung
unter dem MP Börner erwarten liess, dass es in den von Fluglärm betroffenen
Städten und Gemeinden durch die sukzessive Erneuerung der Flugzeugflotten
"perspektivisch leiser und nicht lauter" werden würde. Durch den nunmehrigen -
auch vom Magistrat der Stadt Frankfurt geförderten - Ausbau wird die
Lärmbelastung in jedem Fall deutlich zunehmen. Hieraus ergibt sich die Frage,
ob mehrere 100.000 Bürger der Stadt und der Region nach Auffassung des
Magistrats einen Anspruch auf Planungssicherheit hinsichtlich der zu
erwartenden Lärmbelastung haben. In dem Positionspapier wird weiterhin kritisiert,
dass die Genehmigung des Ausbauvorhabens "nicht die Schutz- und
Kompensationsvorgaben der Mediation" enthält und dadurch - entgegen der
erklärten Absicht des hessischen Landtages - erhebliche Belästigung und ggf.
gesundheitliche Folgewirkungen auftreten. Zutreffend ist, dass die hessische
Landesregierung tatsächlich in den vergangenen 10 Jahren keine konkreten
Massnahmen zur Lärmreduzierung ergriffen hat und auch derzeit nicht erkennbar
ist, wie der Lärm angesichts des Ausbauziels - Zunahme der Anzahl der
Flugbewegungen um mindestens 50 % - begrenzt oder reduziert werden kann.
Hieraus ergibt sich die Frage, wie der Magistrat einem Ausbauvorhaben zustimmen
konnte, bei dem erkennbar war, dass die Lärmbelastung deutlich zunehmen würde
und von den zuständigen Behörden keine Bemühungen um eine Begrenzung der
Belastung erkennbar waren. In dem Positionspapier wird weiterhin kritisiert,
dass die hessische Landesregierung trotz immer wieder getätigter
anderslautendet Versprechungen im Hinblick auf die Realisierung eines
Nachtflugverbotes zwischen 23.00 und 05.00 Uhr im Planfeststellungsbeschluss
durchschnittlich 17 Flüge in der "Mediationsnacht" und durchschnittlich 150
Flüge im gesamten Zeitraum der gesetzlichen Nacht zulässt. Kritisiert wird
insbesondere auch, dass die Landesregierung die Entscheidung des Hessischen
Verwaltungsgerichtshofes zugunsten des Mediations-Nachtflugverbotes nicht
akzeptiert und deshalb ein Revisionsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht
initiiert hat. Die Position der Landesregierung wurde bislang auch vom
Magistrat der Stadt Frankfurt vertreten. So wurde ein Beschluss der
Stadtverordnetenversammlung, mit dem der Magistrat beauftragt wurde, eine Klage
für ein Nachtflugverbot einzulegen, durch das Veto der Oberbürgermeisterin
aufgehoben. Die Oberbürgermeisterin führte hierzu aus, dass ein Nachtflugverbot
zu ausgeprägten wirtschaftlichen Nachteilen für die Stadt und die gesamte
Region führen würde. In dem Positionspapier wird weiterhin kritisiert,
dass die Verpflichtung, die ausbaubedingten Mehrbelastungen an Fluglärm in der
Region durch geeignete Maßnahmen des aktiven Schallschutzes zu mindern, von der
hessischen Landesregierung nicht erfüllt wurde. Bislang habe die
Landesregierung nur aktive Schallschutzmaßnahmen im Rahmen des sog. "ersten
Massnahmenpakets" vorgestellt werden, deren Minderungswirkungen und neue
Belastungen noch nicht sicher einschätzbar sind. Dieses im Jahr 2010
vorgestellte Massnahmenpaket beinhaltet insgesamt 7 Vorschläge, von denen 3
(segmentiertes Anflugverfahren, gezielte Bahn- und Routennutzung,
kontinuierlicher Sinkflug) ausschliesslich für die Nacht vorgesehen sind, in
der ohnehin keine Flugbewegungen stattfinden. Weitere 3 Massnahmen
(Geschwindigkeitsbegrenzung auf 220 kn, Modifikation der Triebwerke der B 737
der LH, Anhebung des Anfluggleitwinkels von 3° auf 3,2° für NW-Bahn) führen
bestenfalls zu marginalen Entlastungen, die praktisch nicht messbar sind. Eine
weitere Massnahme - die Erhöhung der Rückenwindkomponente - wird zu einer
deutlichen Erhöhung des Anteils der Betriebsrichtung 25 von 71 % (2009) auf
möglicherweise über 90 % führen. Dies bedeutet zwar eine Entlastung der
westlichen Kommunen (v.a. Flörsheim), jedoch eine deutliche Mehrbelastung der
südlichen Stadtteile Frankfurts (Oberrad, Sachsenhausen, Niederrad). Alleine
durch diese Massnahme wird die Anzahl der Überflüge über diesen Stadtteilen um
ca. 25 % zunehmen, ohne dass die Anzahl der Flugbewegungen zunimmt. In dem Positionspapier fordern die Kommunen, dass
"kurzfristig wirksame sowie umsetzungsfähige Maßnahmen vorgestellt und
realisiert werden können", die zu einer Lärmreduzierung führen. Darüber hinaus
sollen die Luftverkehrsgesellschaften dafür zu sorgen haben, "dass
Bestandsgerät entsprechend überarbeitet und die Modernisierung der Flotten
engagiert vorangetrieben werden". Hier stellt sich die Frage, welche konkreten
Massnahmen gemeint sind und in welchem Ausmass eine lärmreduzierende Wirkung
erwartet wird. Auch ist unklar, auf welche Weise die Luftverkehrsgesellschaften
angesichts deren schwierigen wirtschaftlichen Situation motiviert werden
sollen, kostenintensive Massnahmen wie eine Modernisierung der Flotte zu
ergreifen. Weiterhin fordert das
Positionspapier, dass Massnahmen "vorrangig zur Entlastung höchstbelasteter
Wohnbevölkerung dienen" sollen. In Frankfurt sind vor allem die Bewohner in
Oberrad, Sachsenhausen und Niederrad höchstbelastet. Alle Massnahmen, die
ernsthaft von der DFS diskutiert werden, führen nicht zur Entlastung dieser
Stadtteile. Insofern stellt sich die Frage, wie sich der Magistrat die konkrete
Umsetzung dieser Forderung vorstellt. Weiterhin stellt das Positionspapier fest, dass
"nachhaltig wirksame aktive Schallschutzmaßnahmen ... internationale
Kooperation im Hinblick auf gemeinsame Schutzstandards und die Festschreibung
lärmarmer An- und Abflugverfahren" verlangen. Daher sind internationale
Kontakte herzustellen und zu institutionalisieren. Diese Forderung ignoriert
die Tatsache, dass aktiver Lärmschutz international in aller Regel dadurch
erzielt wird, dass Flughäfen in dünn besiedelte oder unbesiedelte Regionen
errichtet werden und bestehende Flughäfen nicht erweitert, sondern verlagert
werden. Insoweit stellt sich das Problem aktiver Lärmschutzmassnahmen durch
besondere An- und Abflugmassnahmen nicht. Daher ist international auch kaum
Bereitschaft zur Festschreibung lärmarmer An- und Abflugverfahren zu erwarten,
die in jedem Fall kostenintensiv und/oder kapazitätsbeschränkend sind. In dem Positionspapier wird festgestellt, dass
Belastungen und Einschränkungen für die Wohnbevölkerung erheblich steigen
werden, wenn die Anzahl der Flugbewegungen von derzeit unter 500.000 bis 2020
auf 701.000 pro Jahr gemäß Planfeststellungsbeschluss durch den Ausbau
ausgeweitet werden. Hierbei sei unklar, ob und ggf. in welchem Maße weiteres
Wachstum der Flugbewegungszahlen ermöglicht werden soll - also auf mehr als
701.000 pro Jahr. Umso wichtiger sei der Aspekt der Planungssicherheit. Damit
ist klar, dass die Lärmbelastung - ausgehend von der derzeitigen
Situation - in jedem Fall weiterhin deutlich ansteigen wird. Unklar ist auch,
wie der Magistrat "Planungssicherheit" für die Wohnbevölkerung herstellen
möchte. Die Bevölkerung hatte durch den Planfeststellungsbeschluss vom
23.3.1971 ("die Genehmigung zur Errichtung einer weiteren Bahn wird in keinem
Fall erteilt") sowie die vielfachen Bekundungen der damaligen hessischen
Landesregierung ("kein Ausbau über den Flughafenzaun", "kein Baum wird
gerodet") bereits Planungssicherheit und konnte davon ausgehen, dass ein
weiterer Ausbau nicht mehr genehmigt würde. Angesichts dieser Tatsache stellt
sich die Frage, wie der Magistrat der Bevölkerung glaubhaft Planungssicherheit
in Aussicht stellen möchte. In dem Positionspapier wird festgestellt, dass dem
"Luftverkehr Entwicklungsmöglichkeiten offen zu halten" sind und anderseits die
verbindliche Vorgabe zu machen, das gegenwärtige Lärmniveau nicht zu
überschreiten. Insoweit soll die hessische Landesregierung aufgefordert werden,
für den Frankfurter Flughafen eine Lärmobergrenzenregelung zu erarbeiten und
verbindlich festzuschreiben. Hier stellt sich die Frage, wie eine
Lärmobergrenze festgeschrieben werden soll, ohne die Anzahl der Flugbewegungen
zu limitieren.
Vor diesem Hintergrund frage ich
den Magistrat:
1. Haben mehrere 100.000 Bürger
der Stadt und der Region nach Auffassung des Magistrats einen Anspruch auf
Planungssicherheit hinsichtlich der zu erwartenden Lärmbelastung ? 2. Aus welchen Gründen hat der Magistrat einem
Ausbauvorhaben zugestimmt, bei dem erkennbar war, dass die Lärmbelastung
deutlich zunehmen würde und die Landesregierung entgegen der Zusicherungen der
Mediation keine Massnahmen zur Begrenzung der Belastung ergriffen würden ?
3. Hält der Magistrat weiterhin an der von der
Oberbürgermeisterin vertretenen Auffassung fest, dass ein Nachtflugverbot zu
schweren wirtschaftlichen Nachteilen für die Stadt führen wird ? 4. Falls 3. zutreffend: aus welchen Gründen ist der
Magistrat nunmehr bereit, sich für ein Nachtflugverbot einzusetzen und damit
schwere wirtschaftliche Nachteile für die Stadt in Kauf zu nehmen ? 5. Falls 3. unzutreffend: welche Umstände haben dazu
geführt, dass der Magistrat die unter 3. genannte Auffassung nicht mehr
vertritt ? 6. Vertritt der Magistrat die
Auffassung, dass die 2010 vorgestellten 7 Massnahmen zu einer Reduzierung der
Lärmbelastung in Frankfurt führen ? 7. Was versteht der Magistrat konkret unter den im
Positionspapier genannten "kurzfristig wirksamen sowie umsetzungsfähigen
Maßnahmen" ? 8. Wie kurzfristig können die unter
7. genannten Massnahmen nach Auffassung des Magistrats umgesetzt werden ?
9. Welchen Effekt (d.h. Ausmass der Lärmreduzierung)
werden die unter 7. genannten Massnahmen nach Auffassung des Magistrats
besitzen ? 10. Wie stellt sich der Magistrat
die konkrete Umsetzung der im Positionspapier genannten Massnahme -
"Überarbeitung des Bestandsgeräts und Modernisierung der Flotten" - vor ?
11. Auf welche Weise glaubt der Magistrat die unter
10. genannten - kostenintensiven - Massnahmen von den Fluggesellschaften
einfordern zu können angesichts deren schwieriger wirtschaftlicher Situation
? 12. Durch welche konkreten
Massnahmen können nach Auffassung des Magistrats die "höchstbelasteter
Wohnbevölkerung" in Oberrad, Sachsenhausen und Niederrad entlastet werden?
13. Welchen Effekt (d.h. Ausmass der
Lärmreduzierung) werden die unter 12. genannten Massnahmen nach Auffassung des
Magistrats besitzen ? 14. Auf welche Weise glaubt der Magistrat
international Bereitschaft zur Festschreibung lärmarmer An- und Abflugverfahren
zu finden angesichts der Tatsache, dass international aktiver Lärmschutz in der
Regel durch Verlagerung von Flughäfen in dünn besiedelte Gebiete erzielt
wird? 15. Auf welche Weise plant der
Magistrat die Lärmbelastung für die Bevölkerung zu begrenzen, wenn gleichzeitig
festgestellt wird, dass die Belastungen aufgrund der Zunahme der Anzahl der
Flugbewegungen erheblich steigen werden? 16. Auf welche Weise glaubt der Magistrat der
Bevölkerung glaubhaft Planungssicherheit vermitteln zu können, wenn der
Bevölkerung die vielfach gegebene Zusicherung ("kein weiterer Ausbau") durch
die Landesregierung und den Magistrat gebrochen wurde? 17. Wie stellt sich der Magistrat die Festlegung
einer Lärmobergrenzenregelung vor? 18. Welche Anzahl von
Flugbewegungen hält der Magistrat angesichts der derzeitigen Lärmbelastung der
Bevölkerung für maximal vertretbar? Antragstellende Person(en):
Stadtv. Dr.
Dr. Rainer Rahn Vertraulichkeit: Nein dazugehörende
Vorlage:
Bericht des Magistrats vom 16.04.2012, B 169
Versandpaket: 18.01.2012 Aktenzeichen: 79 1