eungesheimTitel/Betreff: Gebäudedämmung - Ausbau energetischer Sanierung
Vorlagentyp: ST Magistrat
Inhalt
S A C H S T A N D :
Stellungnahme des
Magistrats vom 16.03.2015, ST 450 Betreff: Gebäudedämmung - Ausbau energetischer Sanierung
Am 29.05.2012 kam es an einem im Bau befindlichen
Gebäude an der Adickesallee zu einem Großbrand. Ausgelöst wurde dieser durch
brennendes Dämmmaterial, welches vor dem Gebäude zum Zwecke des Einbaus
gelagert war. Der Brand schlug auf das Gebäude, das mit
Wärmedämmungsverbundsystemen (WDVS) in verschiedenen Fertigstellungsgraden
verkleidet war, über und breitete sich über die gesamte Gebäudehöhe aus.
Im Zuge der Einsatznachbereitung
kam es über die Grenzen der Stadt Frankfurt hinaus zu Diskussionen um die
brandschutztechnische Qualität der verbauten Dämmstoffe und WDVS im
Allgemeinen. Anfragen zu diesem Thema erreichten auch den Magistrat der Stadt
Frankfurt am Main. Darüber hinaus hat die Bauministerkonferenz auf
Initiative Hessens das Thema auf die Tagesordnung der Bauministerkonferenz am
20. und 21.09.2012 gesetzt. Das Ergebnis der Bauministerkonferenz war, dass die
Prüfverfahren mit der Feuerwehr und unter Berücksichtigung ihrer Erfahrungen
evaluiert und gegebenenfalls angepasst werden sollen. Dem Bericht des Magistrats an die
Stadtverordnetenversammlung vom 07.12.2012, B 520, ist folgendes zu
entnehmen: "Nach den
Brandereignissen der jüngsten Zeit, auch in Frankfurt am Main, ist die
Bauminis-terkonferenz dem Ansinnen Hessens gefolgt, den Sachverhalt
hinsichtlich des Brandverhal-tens von Wärmeverbundsystemen mit
Polystyrol-Dämmstoffen zu analysieren und gegebe-nenfalls Handlungsempfehlungen
zu erarbeiten. In der Pressemitteilung des für diesen Be-reich zuständigen
Ministers für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung, Florian Rentsch, heißt
es: "In ihrem Beschluss"
vom 20. Und 21.09.2012 "stellt die Bauministerkonferenz fest, dass
Wärmedämmverbundsysteme mit Polystyrol ordnungsgemäß zertifiziert sind.
Gleichwohl nimmt sie die Brandereignisse mit solchen Wärmedämmsystemen ernst.
Die Bauministerkonferenz beauftragt den Ausschuss für Stadtentwicklung, Bau-
und Wohnungswesen unter Einbeziehung der Feuerwehr, alle relevanten
Brandereignisse von Wärmedämmverbundsystemen mit Polystyroldämmstoffen unter
Berücksichtigung der besonderen Umstände und Gefahren bei Montagezuständen zu
untersuchen. Sofern angezeigt, sind konkrete Handlungsempfehlungen
auszusprechen." "
Dies vorweggenommen nimmt der Magistrat wie folgt
Stellung: Frage 1: Die Branddirektion Frankfurt am Main hat den Auftrag
erhalten, als zentrale Stelle die Daten von Bränden in Verbindung mit
Wärmedämmverbundsystemen zu sammeln. Darüber hinaus wurden viele Gespräche
zwischen der Branddirektion und Fachleuten zum Thema Brandschutz bei
WDVS-Fassaden geführt. Der
Branddirektion ist bekannt, dass in der Fachwelt Diskussionen zum Thema
mechanische Beanspruchung und Haltbarkeit wärmegedämmter Fassaden geführt
werden. Zu den Ergeb-nissen dieser Gespräche kann die Branddirektion jedoch
keine näheren Aussagen machen. Frage 2: Am 13. und 14.11.2014 hat die Bauministerkonferenz
in ihrer 126. Sitzung in Chemnitz das Brandverhalten von
Wärmedämmverbundsystemen (WDVS) mit Polystyroldämmstoffen erneut auf die
Tagesordnung [Anlage 1] gesetzt. Basierend auf dem Ergebnis dieser Sitzung hat sich
der Fachverband Wärmedämm-verbundsysteme e.V. am 15.12.2014 mit dem Schreiben
"Aktueller Stand zur brandschutz-technischen Ertüchtigung von WDVS mit
EPS-Dämmstoffen" [Anlage 2] an seine Verbandsmitglieder gerichtet.
Diesem, der Branddirektion vorliegenden Schreiben ist folgendes zu
entnehmen: "Die BMK" (Bauministerkonferenz)
"hat sich bereits in vorangegangenen Sitzungen intensiv mit dem Thema
Wärmedämm-Verbundsysteme (WDVS) mit Polystyrol-Dämmstoffen beschäftigt und
weitere Untersuchungen einschließlich einer Versuchsreihe für die Fälle beauftragt, bei denen sich der
Brandherd außerhalb des Gebäudes befindet. Das Ergebnis zeigt, dass in Bezug
auf diese neuen Brandszenarien neue und ergänzende Regelungen sinnvoll sind.
Deshalb werden Änderungen in den Zulassungsbestimmungen vorgenommen,
insbesondere bei Neubauten, Erneuerungen und der nachträglichen Dämmung
bestehender Gebäude. Darüber hinaus wird die BMK für bestehende Gebäude
Empfehlungen wie beispielsweise Abstände für oder Einhausungen von
Müllcontainern aussprechen. Beschluss zu TOP 7 der Bauministerkonferenz
(Brandverhalten von EPS-WDVS)" Es läge noch keine detaillierte Empfehlung des DIBt"
(Deutsches Institut für Bautechnik) vor, jedoch ließen sich "bereits
allgemein Rahmenbedingungen zur brandschutztechnischen Kompensation des
Brandszenarios "Sockelbrand" für WDVS mit EPS-Dämmung ableiten: 1. Die bisher zur Kompensation des Brandszenarios
"Wohnraumbrand" in den Zulassungen festgelegten, alternativ anzuwendenden
konstruktiven Brandschutzmaßnahmen - "Sturzschutz" über jeder
Öffnung in der Außenwand
bzw. horizontal umlaufender "Brandriegel" in jedem zweiten Geschoss - bleiben bestehen, da
diese sich als wirkungsvoll erwiesen haben. 2. Zur Kompensation des Brandszenarios "Sockelbrand"
(am Geländeanschluss) werden
zwei zusätzliche Brandriegel eingebaut (siehe nachfolgende Abb.). a) Ein Brandriegel wird oberhalb der
Sockelausbildung in einer Höhe von max. 0,9 m oberhalb des Geländeanschlusses
angebracht. Ein weiterer Brandriegel ist vorzusehen etwa im Bereich der
Geschossdecke des Erdgeschosses (1. oberirdisches Geschoss). Dieser
darf max. 3,0 m oberhalb des
unteren Sockelriegels verlaufen (gemessen von Mittelachse zu Mittelachse der beiden
Riegel). b) Oberhalb dieser
zwei Riegel sind die bisher benannten konstruktiven Brandschutzmaßnahmen auszuführen, d. h. mindestens
in jedem zweiten Geschoss
ein umlaufender Brandriegel oder alternativ der Einbau des "Sturzschutzes" über jeder
Außenwandöffnung. c) Technische Details: Für die zusätzlichen Brandriegel ist ausschließlich
Mineralwolle nach DIN EN
13162 zu verwenden. Die Riegelhöhe beträgt wie bislang mindestens 200 mm. Die Brandriegel sind vollflächig mit einem für das
System zugelassenen,
mineralisch gebundenen Klebemörtel im Buttering- Floating-Verfahren anzubringen (beidseitiger
Kleberauftrag auf Wand und
Riegel mit "Einschwimmen" der Riegel). Die Brandriegel sind stets zusätzlich zu dübeln
(Schraubdübel mit Stahlschraube). Der Dübelabstand soll ca. 0,6 m
betragen. Es sind Jedoch
mindestens zwei Dübel je Riegelstreifen erforderlich. An Gebäudeinnenecken sind verstärkte Gewebeeckwinkel
zu verwenden." Die beschriebenen Maßnahmen seien generell bei allen
allgemein bauaufsichtlich zugelassenen, schwer entflammbaren WDVS mit einer
EPS-Dämmung mit allen Dämmstoffdicken bis zu 300 mm umzusetzen. Darüber hinaus gäbe es bei einzelnen
WDVS-Ausführungen (spezieller Untergrund oder Schlussbeschichtung) momentan noch Klärungsbedarf.
Daher könne ohne ergänzenden experimentellen Nachweis eine vollständig
nichtbrennbare Ausführung der Dämmung im Bereich des Erdgeschosses erforderlich
werden. Der Fachverband empfiehlt aus
fachlicher Sicht, diese Punkte auch auf Gebäude der Gebäudeklassen GK 1 bis GK
3 umzusetzen.
Für die Umsetzung bedürfe es der
Kommunikation entsprechender Zulassungsänderungen durch das DIBt. Darauf
aufbauend würde die Technische Systeminformation 6 - WDVS des Fachverbandes
brandschutztechnisch angepasst und Planungsdetails ergänzt. Über aktuelle Neuerungen würden die
Fachverbandsmitglieder zu gegebener Zeit informiert. Frage 3: Die Branddirektion Frankfurt am Main hat sowohl von
der Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren in der Bundesrepublik
Deutschland (AGBF-Bund) als auch von der AGBF-Hessen und dem Deutschen
Feuerwehrverband den Auftrag erhalten, die Daten von Brandereignissen in
Verbindung mit Wärmedämmverbundsystemen zu sammeln und gemeinsam
darzustellen. Die von der Branddirektion Frankfurt
am Main geführte Übersicht über Brandereignisse in Verbindung mit
Wärmedämmverbundsystemen [Anlage 3] beinhaltet derzeit über 60 Brandereignisse.
Festzuhalten ist, dass bei über 75 % dieser, der Branddirektion bekannten,
Brandereignisse die Brandursache im Außenbereich zu finden ist. Vor allem
Müllsammelplatz-, und Fahrzeugbrände sprangen auf benachbarte gedämmte Fassaden
über. Weniger als 25 % der hier dokumentierten Brände in Verbindung mit WDVS
wurden tatsächlich durch Wohnungsbrände verursacht. Basierend auf diesen Erkenntnissen fanden seit 2012
mehrere Brandversuche in der Brandprüfstelle Laue der MFPA Leipzig GmbH
(Gesellschaft für Materialforschung und Prüfungsanstalt für das Bauwesen
Leipzig mbH) statt, an denen die Branddirektion teilweise als Gast
teilnahm. Zu Beginn der Versuchsreihen wurden
die WDVS zunächst nach den derzeit gültigen Einbauvorgaben der Hersteller
verbaut. Im Zuge der Versuche wurde gerade bei dem Szenario "Brand in Innenecke
der Außenfassade" und unter der Vorgabe "Brandlast eines Großmüllbehälters"
bestätigt, dass diese Vorgaben zu überarbeiten sind. Die Montage weiterer
Brandriegel sowie andere Einbauvorgaben (Verwendung von Dübeln) wurden durch
die Expertenkommission als sinnvoll herausgearbeitet und durch Versuche
bestätigt. Wie dem als Anlage 2 beigefügten
Schreiben des Fachverbandes der Wärmedämmverbund-systeme e.V. zu entnehmen ist,
gibt es seitens der Industrie bereits erste Überlegungen für neue
Einbauvorgaben. Diese können jedoch erst nach erfolgter Novellierung der
Rechts-vorschriften und Vorgaben des DIBt (Deutsches Institut für Bautechnik)
eingeführt werden. Die Branddirektion Frankfurt am Main spricht seit
2012 im Zuge der brandschutztechnischen Stellungnahme im
Baugenehmigungsverfahren folgende Empfehlung aus: "Gemäß § 25 Abs. 2 HBO sind Außenwände und
Außenwandteile so auszubilden, dass Brandentstehung bei einer Brandbeanspruchung von
außen und Brandausbreitung ausreichend begrenzt sind. Aufgrund des erfahrungsgemäß heftig
vonstattengehenden Brandverlaufs - auch bei schwerentflammbaren Wärmedämmverbundsystemen - wird
seitens der Branddirektion empfohlen, insbesondere die Art und Anordnung von
nichtbrennbaren Brandriegeln (Baustoffklasse A nach DIN 4102) frühzeitig in die
Planung einzubeziehen, bzw. den Einbau einer nichtbrennbaren Fassadendämmung zu
prüfen." Die Branddirektion weist darauf hin,
dass es aufgrund der aktuellen Entwicklung und der Zusammenarbeit mit der AGBF
durchaus möglich ist, dass die Brandschutzdienststellen zukünftig verstärkt
solche Empfehlungen aussprechen werden. Frage 4: Zum Thema einer evtl. Gesundheitsgefährdung durch
Ausdünstungen von Styrol aus Polystyrolplatten liegen der Branddirektion keine
Berichte vor. Auch kann die Branddirektion keine Aussage dazu machen, ob solche
Untersuchungen stattgefunden haben. Frage 5: Die bauaufsichtliche Verwendbarkeit von Bauprodukten
ist im zweiten Abschnitt der Hessischen Bauordnung (HBO §§ 16 ff) geregelt. Für
die für WDVS verwendeten Baustoffe gilt, dass sie mindestens schwer entflammbar
(eingestuft in die Baustoffklasse B1 nach DIN 4102) sein müssen. Hierbei ist es
der Bauherrschaft jederzeit freigestellt, für die Fassadendämmung die
brandschutztechnisch höherwertige Baustoffklasse A (nicht brennbar nach DIN
4102) zu wählen. Die
Einstufung der Bauprodukte in einzelne Baustoffklassen erfolgt nach anerkannten
Prüfverfahren gemäß DIN 4102. Die Änderung oder Ergänzung dieser Vorschriften
obliegt dem jeweiligen Normenausschuss im Deutschen Institut für Normung.
Eine Novellierung des
Genehmigungsverfahrens für Polystyrol liegt daher nicht in der Zuständigkeit
des Landes Hessen. Vertraulichkeit: Nein
dazugehörende Vorlage:
Auskunftsersuchen
vom 02.12.2014, V
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