Sozialraumanalyse für die Heimatsiedlung und die Fritz-Kissel-Siedlung
Vorlagentyp: OM
Inhalt
S A C H S T A N D :
Anregung an den Magistrat vom 10.08.2018, OM
3481 entstanden aus Vorlage:
OF 922/5 vom
18.07.2018 Betreff: Sozialraumanalyse für die Heimatsiedlung und
die Fritz-Kissel-Siedlung Der Magistrat wird gebeten, für die
Fritz-Kissel-Siedlung sowie für die Heimatsiedlung in Sachsenhausen eine
Sozialraumanalyse durchzuführen. Im Ergebnis dieser Analyse soll geklärt werden, ob
dieser Sozialraum - ganz oder teilweise - in ein
Programm zur Stärkung des sozialen Zusammenhaltes aufgenommen wird. Hierbei
kann es sich um das "Frankfurter Programm - Aktive Nachbarschaft" handeln, oder
aber auch um Maßnahmen aus dem Bundesprogramm "Soziale Stadt". Begründung: Der Süden des Stadtteils Sachsenhausen ist geprägt
durch zwei Wohnsiedlungen, in denen insgesamt rund 5.000 Menschen leben: Die
Heimatsiedlung sowie die Fritz-Kissel-Siedlung. Beide Siedlungen sind sowohl
von der Bebauung her als auch von ihrer Sozialstruktur durchaus
unterschiedlich, dennoch macht es schon wegen der räumlichen Nähe her Sinn,
diesen Wohnbereich als soziale und kulturelle Einheit zu betrachten. Die Heimatsiedlung wurde bereits nach 1920 unter
Stadtbaurat Ernst May gebaut und befand sich von Anfang an bis Mitte der 1980er
Jahre in gewerkschaftlicher und genossenschaftlicher Trägerschaft. Sie war die
erste Großsiedlung des "Neuen Frankfurt", die auch erstmals teilweise aus
vorgefertigten Großplatten errichtet wurde. Sie wird seit einiger Zeit im Stil
ihrer Entstehungszeit, im sogenannten "Bauhaus-Stil" renoviert, allerdings
gehen diese Arbeiten aufgrund des dort bestehenden Denkmalschutzes nur sehr zäh
und langsam voran.
Ursprünglich war auch das Gebiet
der heutigen Fritz-Kissel-Siedlung für die Heimatsiedlung vorgesehen, die
Bebauung konnte aber erst nach dem 2. Weltkrieg in geänderter Form ab den
1950er Jahren umgesetzt werden. Seinerzeit wurde dringend Wohnraum gebraucht,
insbesondere für Flüchtlinge und Heimatvertriebene, und es entstand diese
Siedlung unter Federführung des Generalbaumeisters der Nassauischen Heimstätte
Fritz Kissel, deren Straßennamen an Städte in den ehemals deutschen
Ostgebieten erinnern. Hier herrscht eine großflächige Blockarchitektur vor, die
Häuser stehen von der Straße versetzt inmitten von Grünanlagen, die
Außenstehende gerne mit einer "Parklandschaft" vergleichen. Selten sind die
Häuser höher als vier Stockwerke. Die Sanierungsarbeiten in der
Fritz-Kissel-Siedlung sind mittlerweile fast vollständig abgeschlossen und
werden von den Mietern im Allgemeinen gelobt. Dennoch hatte diese
Bestandssanierung zum Teil auch deutliche Mietpreissteigerungen zur Folge.
Der Bevölkerungszuwachs im Sachsenhäuser Süden nach
dem Zweiten Weltkrieg erforderte auch eine eigene Infrastruktur: An der
Schnittstelle der Heimatsiedlung mit der Fritz-Kissel-Siedlung, der Kreuzung
Mörfelder Landstraße/Stresemannallee, wurde eine Ladenstraße mit Kino,
Gaststätten und einem Postamt gebaut. Heute sind noch viele Läden aus dieser
Zeit erhalten, andere sind neu hinzugekommen. Die Versorgung der Bürgerinnen
und Bürger wird allgemein als ausreichend angesehen. Auch eine katholische (St.
Aposteln) und eine evangelische (Ostergemeinde) Kirchengemeinde wurde in den
1950er Jahren für diesen neuen Stadtteil gegründet. Dieser Stadtteil spiegelt also sowohl die
idealtypische Infrastruktur sozialreformerischer Städteplanung im Frankfurt der
Nachkriegszeit wider als auch deren Niedergang. Das Ende der
Vollbeschäftigungsära nach dem Zweiten Weltkrieg, Globalisierung und Migration
sowie nicht zuletzt die Privatisierung von ursprünglich öffentlichem
Wohneigentum sowie die Vernachlässigung städtischer Infrastruktur durch
öffentlichen "Sparzwang" bilden sich in der Heimatsiedlung sowie mit deutlichen
Abstrichen in der Fritz-Kissel-Siedlung ab. Besondere Probleme bereitete den Bewohnern der
Heimatsiedlung die Übertragung der Wohnungen von der Gewerkschaftsnahen "Neuen
Heimat" auf die öffentlich-rechtliche Nassauische Heimstätte, die eigentlich
bis heute relativ wenig Interesse an dieser Siedlung und an ihrem besonderen
historischen, sozialen und kulturellen Kontext aufbringt. Seit vielen Jahren schon gibt es Klagen der Bewohner,
die Nassauische Heimstätte lasse das Viertel systematisch verfallen, aus der
einstmals so beliebten Vorzeige-Siedlung sei ein "Elendsquartier" geworden,
gezeichnet durch eine massive (Sperr-)Müllproblematik, verfallender
Bausubstanz, einem hohen Anteil von Beziehern staatlicher Transferleistungen
und einem überdurchschnittlich hohen Ausländeranteil. Der früher durch einen
Siedlerverein geförderte soziale Zusammenhalt in der Heimatsiedlung ist längst
völlig zum Erliegen gekommen. Die Sozialstruktur ist mit rund 80 Prozent
Sozialwohnungen überaus ungünstig, ebenso die Altersstruktur: Für junge
Familien mit Kindern ist dieser Stadtteil längst nicht mehr attraktiv. Kurz gesagt gilt die Heimatsiedlung längst als ein
Stadtteil der Alten und der sozial Schwachen. Dass mittlerweile rund zwanzig
Prozent der Wohnungen privatisiert wurden, dürfte die sozialen Spannungen im
Viertel noch weiter verschärft haben. Die Besitzer der Eigentumswohnungen
fühlen ihr Eigentum durch die sichtbare Armut in ihrem direkten Wohnumfeld
entwertet. Die alteingesessenen Bewohner fühlen sich durch die Privatisierungen
einem permanenten Gentrifizierungsdruck ausgesetzt und die ärmeren
Bevölkerungsteile der Heimatsiedlung, nicht selten mit Migrationshintergrund,
fühlen sich abgeschnitten von öffentlicher Fürsorge und persönlicher
Perspektive. Für Kinder und Jugendliche existieren
auch aus deren eigener Sicht keine erreichbaren Betreuungsangebote. Das Gleiche
gilt für die vielen älteren Mitbürger. Räumlichkeiten, z. B. für ein
kulturintegratives und generationsübergreifendes Nachbarschaftszentrum, wären
sehr wohl vorhanden. Zur Verwirklichung dieser Pläne fehlt es aber an einem
wirklichen Problembewusstsein der Stadt Frankfurt und leider auch nach wie vor
an der Kooperationsbereitschaft der Nassauischen Heimstätte. Diese Probleme lassen sich in stark abgemilderter
Form ansatzweise auch in der Fritz-Kissel-Siedlung beobachten. Wenngleich hier
die sozialen Strukturen sehr viel gefestigter erscheinen, so ist doch in den
nächsten Jahren auch hier von wachsenden Problemen auszugehen, da zum einem
hier immer mehr Wohnungen aus der sozialen Mietpreisbindung fallen werden und
zum anderen hier die Mieten im Zuge der zahlreichen wünschenswerten
Sanierungsmaßnahmen zunehmend steigen. Schließlich wäre zu bemerken, dass die Wohn- und
Lebensqualität der Siedlungsbewohner im Sachhäuser Süden durch eine Vielzahl
von Lärmemissionen überaus stark beeinträchtigt wird. Schon immer sind beide
Siedlungen begrenzt von stark frequentierten Bahnlinien und durchschnitten von
vielbefahrenen Hauptverkehrsstraßen. Seit der Eröffnung der Nordwestlandebahn
im Jahr 2011 hat auch hier der Fluglärm unzumutbar stark zugenommen. Quelle: Google Maps Antragstellender Ortsbeirat:
Ortsbeirat 5
Vertraulichkeit: Nein dazugehörende Vorlage:
Stellungnahme des
Magistrats vom 16.11.2018, ST 2168
Beratung im Ortsbeirat: 5 Aktenzeichen: 51