Wie wird anlässlich der aktuellen Verbreitung des Covid-19-Virus der Infektionsschutz in Unterkünften für Obdachlose und Geflüchtete gewährleistet?
Antrag
Der Ortsbeirat möge beschließen: Der Magistrat wird gebeten zu prüfen und zu berichten.
Begründung
Wenn sich Passant/innen auf der Leipziger Straße Gedanken machen, ob sie die gebotenen Abstände voneinander einhalten können, stellt sich die Frage, wie sorgfältig der Infektionsschutz für sog. vulnerable Gruppen in Gemeinschaftsunterkünften organisiert ist. Neben zwei größeren Einrichtungen für Geflüchtete und den beiden Wohnheimen des Ev. Vereins für Wohnraumhilfe (der auch im Auftrag des Jugend-und Sozialamts die Belegungen vornimmt) befinden sich im Bereich des Ortsbezirks 2 eine Reihe weiterer als Notunterkünfte verwandte Wohnheime, Übergangsunterkünfte und Hotels, die für Geflüchtete und örtliche Obdachlose genutzt werden. Aufgrund der bestehenden Wohnungsnot leben die Betroffenen in der Regel mehrere Monate, in Einzelfällen auch Jahre in diesen Unterkünften. Die Unterbringung erfolgt auf engem Raum, für eine Person gelten 8 qm als ausreichend, für zwei Personen 12 qm. Kommerziell genutzte Häuser wie das Wohnheim Juliusstraße oder Pensionen verfügen oft über keine oder nur Gemeinschaftskochgelegenheiten, die sanitären Anlagen werden gemeinschaftlich genutzt, so dass die Vorgaben bzgl. der zu wahrenden Abstände - wenn überhaupt - nur mit großer Disziplin einzuhalten sind. Soweit keine Sozialarbeiter/innen vor Ort eingesetzt sind, gibt es in den Unterkünften auch in Konfliktfällen keinen Ansprechpartner. Die Sozialdienste im Jugend- und Sozial- bzw. Gesundheitsamt sind z. Zt. telefonisch kaum erreichbar. Der Sozialpsychiatrische Dienst des Gesundheitsamtes ist in dieser Funktion nicht mehr tätig, sondern bedient die Corona-Hotline des Gesundheitsministeriums. Erschwerend kommt hinzu, dass das Jugend-und Sozialamt Alleinstehende grundsätzlich mit ihnen zuvor nicht bekannten Personen aufgrund des Mangels an Einzelzimmern oder unter Kostenaspekten in Doppelzimmer einweist. Die Bewohner/innen können unter diesen Umständen auch nicht ansatzweise ihre Privatsphäre schützen, an wirksamen Infektionsschutz ist nicht zu denken. Viele Menschen in Notunterbringung haben Vorerkrankungen, sind suchtkrank oder leiden unter psychischen Auffälligkeiten. Während die Schutzmaßnahmen in Pflegeeinrichtungen noch überwiegend durch weitgehende Absperrung der Häuser durchgesetzt werden, verlassen die meisten Bewohner/innen von Notunterkünften tagsüber das Haus, um Arbeit oder Ausbildung nachgehen oder ggf. auch an Sprachkursen teilnehmen zu können. Außerdem sind sie für den Kauf ihrer Lebensmittel selbst zuständig. Covid-19-Infizierte unter den Bewohner/innen könnten demnach Kontaktpersonen infizieren oder selbst infiziert werden. Bund und Länder haben bereits Mitte April die Erstellung von Konzepten zur Sicherung des Infektionsschutzes in den entsprechenden Einrichtungen für "vulnerable Gruppen" gefordert. So müssten die erforderlichen Hygienestandards in den jeweiligen Einrichtungen festgeschrieben werden. Nach Angabe des Hess. Gesundheitsministeriums werden auch "zum Schutz vulnerabler Gruppen und zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung aktuell Konzepte für Testungen im Sinne eines Screenings erarbeitet". (zit. nach Frankfurter Rundschau vom 06.04.20). Trotz gegenteiliger langjähriger Behördenerfahrung bleibt in diesem Fall zu hoffen, dass die gewünschten Konzepte, wenn es sie denn gibt, auch umgehend umgesetzt werden.
Beratungsverlauf 1 Sitzung
3 CDU, SPD, GRÜNE, LINKE., BFF und Piraten gegen 2 CDU und 1 FDP (= Ablehnung); 1 FDP (= Enthaltung)