Wie begegnet die Stadt dem Fahrpersonalmangel im ÖPNV?
Vorlagentyp: ST Magistrat
Stellungnahme des Magistrats
Zu
- Wie beurteilt der Magistrat die Auswirkungen der Fahrplanausdünnung hinsichtlich seines Ziels, den motorisierten Individualverkehr in Frankfurt zu reduzieren? Aufgrund des hohen Personalmangels waren Busse und Bahnen in Frankfurt am Main in den letzten Monaten nicht in dem Maße zuverlässig, wie dies von den Fahrgästen gewünscht und von allen Beteiligten am ÖPNV angestrebt wird. Die Unzuverlässigkeit des ÖPNV-Angebotes hat tendenziell zur Abwanderung von Fahrgästen zum motorisierten Individualverkehr (MIV) geführt. Die Umsetzung des Stabilisierungsfahrplans zum 27.01.2024 war daher unter den aktuellen Rahmenbedingungen ein notwendiger Schritt, um die Fahrgäste nicht dauerhaft an den MIV zu verlieren. Die Anzahl der Fahrten ist zwar reduziert, doch die durchgeführten Fahrten sind dafür erheblich zuverlässiger, als dies ohne die Stabilisierung der Fall gewesen wäre. Gerade im U-Bahnbereich und teilweise auch im Busbereich wurden als Kompensation die Zuglänge bzw. die Busse (Gelenk- statt Standardlinienbus) geändert, um das Platzangebot zu erweitern. Zu
- Kann der Magistrat sicherstellen, dass es nicht zu weiteren Streichungen im Fahrplan kommt? Der Magistrat ist bemüht, alle geeigneten Möglichkeiten zur Sicherung des Verkehrsangebotes zu prüfen. Die bisherigen Stabilisierungsmaßnahmen wurden in Abstimmung mit allen für den ÖPNV relevanten Entscheidungsträgern und unter Berücksichtigung der jeweiligen Lage der kommunalen Verkehrsunternehmen sowie unter Berücksichtigung möglichst geringer Auswirkungen auf die Fahrgäste umgesetzt. Weitere Maßnahmen, sofern erforderlich, wären auf dieser Ebene erneut abzustimmen. Gegenwärtig ist nicht erkennbar, dass es zu weiteren "Streichungen" kommen muss. Der gemeinsam abgestimmte Stabilisierungsfahrplan ist wesentliche Grundlage, um zufälligen und damit ungeplanten Ausfällen und weiteren Streichungen entgegenzuwirken. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden entlastet, der Krankenstand wird sich voraussichtlich und hoffentlich rückläufig entwickeln und die Akquise neuer Mitarbeitender erhält Raum und Zeit. Die Entwicklung wird beobachtet und die Wirksamkeit der Maßnahmen regelmäßig evaluiert. Aktuell wurden umfangreiche Maßnahmen zur Behebung des Personalmangels beim Fahrpersonal und den übrigen Fachkräften bei der VGF eingeleitet. Neben den Verhandlungen zum Tarifvertrag TV-N Hessen mit der Zielsetzung einer fairen und gut bezahlten Tätigkeit, hat die VGF die Themen Mitarbeitergewinnung, Mitarbeiterbindung und das Betriebliche Gesundheitsmanagement intensiviert und sich strategisch neu aufgestellt, um mehr Fahrpersonal zu gewinnen und zu binden. Zu
- Wie stellt der Magistrat sicher, dass er ab den Sommerferien den alten Fahrplan wie versprochen wieder wird bedienen können? Die Umsetzung des Stabilisierungsfahrplans stellt eine wichtige Maßnahme zur Entlastung des bisherigen Fahrpersonals dar; das Ziel war unter anderem auch, hier Überlastungen - und damit weiteren krankheitsbedingten Ausfällen - entgegenzuwirken. Es wird mit Hochdruck daran gearbeitet, das Angebot für die Fahrgäste wieder zu verstärken. Alle Beteiligten und zuvorderst die verantwortlichen Verkehrsunternehmen arbeiten an Strategien zur Auflösung der Problematik des Fahrpersonalmangels. So werden mehrere Strategien der Rekrutierung eingesetzt. Auf verschiedene Ebenen, z.B. mit anderen lokalen Aufgabenträgern und dem RMV, beim Mobilitäts- und Koordinierungsrat und dem Verband der Verkehrsunternehmen (VDV), erfolgen Abstimmungen und es werden gemeinsam Kampagnen zur Fahrergewinnung konzipiert und durchgeführt. Zu
- Welche Personalkapazitäten und -ressourcen nutzt der Magistrat während der Fußball EM, wenn dort der ausgedünnte Fahrplan nicht gilt, insbesondere um die Fanmeilen im Zentrum der Stadt anzusteuern? Zur Fußball-EM 2024 sollen gezielt zusätzliche Fahrtenangebote gefahren werden. Hierfür wurden im Vorfeld in der Personalsteuerung bereits umfangreiche Maßnahmen eingeleitet. Zu
- Welche Strategien verfolgt der Magistrat, um trotz Fachkräftemangels ausreichend Fahrpersonal für die Verkehrsbetriebe zu gewinnen? Im Busbereich wurden unter anderem die folgenden Maßnahmen ergriffen: Übertarifliche Leistungen Verbesserte Pausen- und Dienstzeiten in Betriebsvereinbarungen Reduzierung der geteilten Dienste um 37 % Vermietung von Leistung an Subunternehmer (zur Entlastung der Belegschaft) Verbessertes Ausbildungskonzept für neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Aufbau eines Recruitings ab 01.03.
- Im Bereich Schiene werden unter anderem folgende Maßnahmen ergriffen: Ausbildung von 27 Fahrern in fünf parallelen Kursen. Für nachfolgende Kurse sind schon Bewerber gefunden. Ausbildungspotenzial von 150 Schienenbahnfahrer im Jahr 2024 soll möglichst ausgeschöpft werden. Zu
- Welche Strategien verfolgt der Magistrat angesichts des demografischen Wandels mittelfristig, um eine steigende Nachfrage aufgrund einer immer älter werdenden und zunehmend mobilitätseingeschränkten Bevölkerung bedienen zu können, wenn zugleich die Zahl der Erwerbsfähigen abnimmt? Der demografische Wandel stellt eine Herausforderung dar. Die Arbeit im ÖPNV muss deshalb attraktiver werden. Auch hier werden Strategien erarbeitet, mit VDV und RMV diskutiert und abgestimmt. Die Zuordnung des Busfahrens zum "Berufskraftfahrer" und die Einordnung als Mangelberuf bei den Jobcentern der Bundesagentur für Arbeit helfen bei der Förderung durch öffentliche Stellen. Auch die Herabsetzung des Mindestalters beim Erwerb des Personenbeförderungsscheins kann zu einer höheren Zahl an potenziell Interessierten, insbesondere Studentinnen und Studenten als Teilzeitkräfte in Verkehrsspitzenzeiten, beitragen. Des Weiteren müssen Hürden für die Übernahme von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus dem nicht-europäischen Ausland abgebaut werden. Hier können a) ein erleichterter Zugang zum Arbeitsmarkt und b) die schnellere, vereinfachte Anerkennung von Fahrerlaubnissen aus Nicht-EU-Staaten helfen, an denen - auch gemeinsam mit dem technischen Überwachungsverein - gearbeitet wird. Für die ICB ist die Ausbildung neuer Busfahrerinnen und Busfahrer ein zentrales Element. Ein erweitertes sechswöchiges Qualifizierungsprogramm trägt dazu bei, dass neues Fahrpersonal von Anfang an gute Arbeit leistet und sich langfristig an das Unternehmen gebunden fühlt. Die Fluktuation sinkt bereits deutlich. Ein Recruiter entwickelt neue Konzepte zur Personalgewinnung. Als eine wichtige Maßnahme hat die Stadt Frankfurt am Main zudem die Rahmenbedingungen für den Einstieg in den Fahrdienst der VGF zum 01.01.2024 erheblich verbessert und so die Attraktivität des Berufsbildes deutlich erhöht. Stellen im Fahrdienst werden nicht mehr befristet, sondern unbefristet ausgeschrieben. Dies hat bereits zu einem spürbaren Anstieg im Bewerbungseingang geführt, sowohl was die Quantität als auch die Qualität der Bewerbungen betrifft. Verglichen zum Vorjahresmonat sind im Januar 2024 10,19% mehr Bewerbungen (Anzahl Bewerbungen Fahrdienst Januar 2023 vs. Januar 2024: 157/173) eingegangen. Weitere Maßnahmen, wie z.B. eine neue Employer-Branding- / Rekrutierungskampagne sowie unterschiedliche Kooperationen und Rekrutierungs-Events, sind für das Jahr 2024 geplant, um weiterhin für eine ausreichende Anzahl an eingehenden Bewerbungen zu sorgen. Ein weiterer Faktor zur Erhöhung der Anzahl der mittel- bis langfristig zur Verfügung stehenden Mitarbeitenden im Fahrdienst ist die Anpassung des Ausbildungskonzepts zum Juli 2024, mithilfe dessen künftig bis zu 150 Anwärterinnen und Anwärter für den Einsatz im Fahrdienst ausgebildet werden können (s. auch zu Frage 5). Zu
- Welche Auswirkungen hat der Fahrpersonalmangel auf den geplanten Ausbau des ÖPNV? Aktuell wird die Planung des ÖPNV auf Basis des gesellschaftlich und ökologisch Notwendigen ausgerichtet. Der Fahrpersonalmangel muss im Zuge dessen ebenfalls bearbeitet werden, hat hier jedoch noch keine Auswirkungen auf die Planung. Zu
- Wie sichert der Magistrat die Umsetzung von Projekten wie die Erweiterung der U 5 zum Frankfurter Berg und ins Europaviertel zu, wenn er aktuell nicht in der Lage ist die U 5 bis zu ihrer Endhaltestelle in Betrieb zu halten? Die genannten Projekte werden weiterhin vorangetrieben. Dabei wird davon ausgegangen, dass bis zur Inbetriebnahme der neuen Strecken in mehreren Jahren wieder genügend Fahr-personale zur Verfügung stehen. Zu
- Wie bewertet der Magistrat die Forderung die U 5 in ihrer Funktion als "Bildungslinie" bis zum wichtigen Umsteigepunkt Willy-Brand-Platz insbesondere in den Morgen- und Nachmittagsstunden fortzuführen, um zahlreichen Schülerinnen und Schülern einen kürzeren Schulweg zu ermöglichen? Die Planungen zur Rückführung der Linie U5 zum Hauptbahnhof sind bereits angelaufen und sollen sukzessive und zeitnah im Laufe des Jahres 2024 - in Abhängigkeit der Personalverfügbarkeit - umgesetzt werden. Zu
- Wie bewertet der Magistrat den Wegfall der U 5 an der Haltestelle "Dom/Römer" als Ankunftspunkt im historischen Zentrum der Stadt für Touristinnen und Touristen? Siehe Antwort zu Frage
- Zu
- Was tut der Magistrat, um gegen den hohen Krankenstand beim bestehenden ÖPNV Personal anzukämpfen? Um die aktuell hohe Krankenquote zukünftig wieder zu senken, geht es für den Magistrat sowie für die städtischen Verkehrsunternehmen in erster Linie darum, die Arbeitsbelastung für die Fahrpersonale zu reduzieren. Die beschriebene Einführung des zeitweisen Reduktionsfahrplans trägt dazu bei. Gleichzeitig soll durch die Rekrutierungs- und Personalbindungsstrategie die Zahl potentieller Fahrpersonale erhöht und damit auch die individuelle Belastung der bisherigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter reduziert werden. Zu
- Was tut der Magistrat, um Geflüchteten die Anerkennung ihrer Busführerscheine zu ermöglichen, damit sie in Frankfurt Busse steuern dürfen? Diese Fragestellung umfasst zwei unterschiedliche Aspekte: die Zulassung geflüchteter Menschen für den Arbeitsmarkt in Deutschland einerseits sowie andererseits die Anpassung bundesdeutscher Regelungen/Vorgaben zur Umschreibung von Führerscheinen, die in Staaten außerhalb der europäischen Union bzw. des europäischen Wirtschaftsraums ausgestellt worden sind. Ob geflüchtete Menschen in Deutschland arbeiten dürfen, ist abhängig vom jeweiligen Status, den die betroffene Person im Rahmen des Asylverfahrens erlangt hat. Dazu ist eine Prüfung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge nach den Voraussetzungen des Asyl- und Aufenthaltsgesetzes nötig. Ebenso hat im Weiteren die Bundesagentur für Arbeit der Ausübung zuzustimmen. Das Umschreibung von Führerscheinen, die in Staaten außerhalb der europäischen Union bzw. des europäischen Wirtschaftsraums ausgestellt worden sind, ist sowohl mit rechtlichen als auch mit bürokratischen Hürden verbunden. traffiQ arbeitet gemeinsam mit dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) an einer Vereinfachung des Verfahrens zur Umschreibung. Die hier zugrundeliegende Regelung entspringt jedoch der bundesdeutschen Gesetzgebung der Fahrerlaubnisverordnung und des Straßenverkehrsgesetzes und kann daher nicht selbstständig durch das Land Hessen oder die Stadt Frankfurt am Main angepasst werden. Im Rahmen der Personalakquise im europäischen Ausland bieten auch die Verkehrsunternehmen im eigenen Interesse erhebliche Hilfestellung bei der Bewältigung bürokratischer Hürden an. Zu
- Wie sehen die Pläne aus, das autonome Fahren voranzutreiben? Die Entwicklung des autonomen Fahrens wird fortlaufend beobachtet. Für das autonome Fahren bei den Schienenbahnen gibt es genormte Vorgaben. Für die Stadt Frankfurt am Main kann auf absehbare Zeit das autonome Fahren - ohne Fahr- und Betreuungspersonal - nicht eingeführt werden, da umfangreiche Investitionen in eine (digitale) Infrastruktur erforderlich wären, die derzeit nicht geplant sind. Nach aktuellen Erkenntnissen ist mit markt- und serienreifen Bus-Fahrzeugen, welche hochautomatisiert (Level 4) ohne Fahrer im Straßenverkehr unterwegs sein können, frühestens ab 2027 zu rechnen. Daran anschließend werden Erprobungen in verschiedenen Szenarien deutschlandweit folgen. Ein umfassenderer Einsatz ist in den 2030er Jahren zu erwarten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die erwähnten Fahrzeuge über deutlich geringere Kapazitäten als reguläre Busse verfügen. Demnach eignen diese sich nicht zwangsläufig, um ganze Buslinien zu bedienen, sondern sind eher für On-Demand-Verkehre oder ggf. Kleinbuslinien ausgelegt. Es finden zwar erste Tests mit autonomen Linienbussen statt, jedoch ist die Entwicklung in diesem Bereich deutlich hinter den Entwicklungen im PKW-Bereich zurück und ein Regeleinsatz derzeit nicht absehbar. Das autonome Fahren kann also nur perspektivisch im Hinblick auf das Thema Personalmangel ggf. einen Beitrag leisten.