Fehlerhafte Prognosen der Fraport AG
Vorlagentyp: A RÖMER
Inhalt
S A C H S T A N D :
Anfrage vom 12.08.2013, A 403 Betreff: Fehlerhafte
Prognosen der Fraport AG Vorgang: Zwischenbescheid des Magistrats vom 08.11.2013
Der Flughafen Frankfurt befand sich lange Zeit im
internationalen Ranking - gemessen an den Passagier-Zahlen - auf dem 7. bis 8.
Platz. Erklärtes Ziel des Flughafenbetreibers war es, durch den Ausbau diesen
Rang auf Dauer zu sichern. Trotz der Inbetriebnahme der neuen Landebahn
befindet sich der Flughafen Frankfurt in diesem Ranking 2011 auf dem 9. und
2012 auf dem 11. Platz - mit weiterhin fallender Tendenz. Dem aktuellen Ranking
(ACI World: Preliminary 2012 World Airport Traffic and Rankings. www.aci.aero)
ist zu entnehmen, dass sich auf den folgenden Rangplätzen - in geringem Abstand
- mehrere Flughäfen in Asien befinden, die im Vergleich zu Frankfurt (+ 1,9 %)
ein deutlich höheres Wachstum aufweisen, z.B. Hongkong (+ 5,1 %), Bangkok (+
10,6 %), Singapur (+ 10,0 %), Guangzhou (+ 7,8 %) und Shanghai (+ 8,3 %),
ausserdem der Flughafen Istanbul (+ 20,6 %). Sämtliche der genannten Flughäfen
besitzen erhebliche Wachstums- und/oder Erweiterungspotentiale und erhebliche
Standortvorteile gegenüber dem Flughafen Frankfurt, z.B. 24-h-Betrieb, keine
Restriktionen des Flugbetriebes, geringe Lohnkosten und - nicht zuletzt -
allgemeine Akzeptanz in der Bevölkerung. Die genannten Flughäfen sind so
angelegt, dass die Anflüge entweder überhaupt nicht oder nur in geringem Umfang
über bewohnten Gebieten erfolgen. Bei einem Teil der Flughäfen erfolgte zur
Sicherstellung von Wachstumspotentialen ein vollständiger Neubau. So haben z.B.
in Hongkong intelligente und weitblickende Planer bereits vor mehr als 20
Jahren die Schliessung des in der Stadt befindlichen Flughafens (Kai Tak) und
einen Neubau auf einer künstlich angelegten Insel (Chek Lap Kok) beschlossen.
Eine entsprechende Lösung wurde in Frankfurt weder vom Flughafenbetreiber noch
von den verantwortlichen Politikern in Land und Stadt auch nur ansatzweise
erwogen. In jedem Fall steht bereits heute
fest, dass das erklärte Planungsziel des Flughafenbetreibers Fraport, den Platz
des Rhein-Main-Flughafens im internationalen Ranking zu halten (oder wie es der
Wirtschaftsdezernent zu formulieren pflegt: "in der ersten Liga mitzuspielen"),
eindeutig verfehlt wurde: in 5 bis spätestens 10 Jahren wird der Flughafen
Frankfurt im weltweiten Ranking nicht mehr unter den ersten 20 zu finden sein.
Ursache ist, dass die Prognosen der Fraport AG völlig fehlerhaft waren bzw.
weit verfehlt wurden. So hatte die Fraport AG für das Jahr 2012 eine Anzahl von
Flugbewegungen von 634.000 (tatsächlich 482.000), eine Anzahl von Passagieren
von 76,8 Mio (tatsächlich 57,5 Mio) und ein Frachtaufkommen von 2,62 Mio t
(tatsächlich 2,07 Mio t) prognostiziert. Die Zahl der am Flughafen
Beschäftigten wurde für 2012 mit 88.000 prognostiziert, tatsächlich waren es
71.000. Die Prognosen weichen somit innerhalb von nur 8 Jahren um etwa 30 % von
der Realität ab. Die Anzahl der Flugbewegungen hat sich im Prognosezeitraum -
d.h. von 2004 bis 2012 - von 477.000 auf 482.000 erhöht, mithin um 1 % in 8
Jahren bzw. etwa 0,12 % pro Jahr. Unterstellt man - was bereits optimistisch
ist - ein weiteres Wachstum in dieser Grössenordnung, so wird die von Fraport
mit 520.000 Flugbewegungen p.a. angegebene Kapazitätsgrenze in etwa 60 (sechzig
!) Jahren erreicht (falls dann überhaupt noch Luftverkehr stattfindet). Zu ähnlichen Erkenntnissen kommt auch die Deutsche
Flugsicherung (DFS). Diese rechnet aufgrund des Rückganges der
Flugbewegungszahlen von etwa 0,5 % im laufenden Jahr mit einem Einnahmeverlust
von 30 bis 40 Mio €. In diesem Zusammenhang wird von der DFS auch ein
Stellenabbau in Betracht gezogen. Nach Auffassung der DFS sind im Luftverkehr
in Zukunft keine oder nur noch sehr geringe Wachstumsraten zu erwarten. Ursache
hierfür ist, dass zum einen der lokale Markt in Deutschland gesättigt ist und
zum anderen das zu erwartende Wachstum dort stattfindet, wo die
Standortbedingungen für den Luftverkehr (Kosten, Restriktionen) günstiger sind
als in Frankfurt oder Deutschland, d.h. in Asien und im nahen Osten. Es stellt sich die Frage, welche Konsequenzen der
Magistrat aus den offensichtlich - wahrscheinlich vorsätzlich - fehlerhaften
Prognosen der Fraport AG zieht und welche Folgen das Nicht-Eintreten der
prognostizierten Szenarien für die Stadt Frankfurt bzw. die Rhein-Main-Region
besitzt. Vor diesem Hintergrund fragen wir den
Magistrat: 1. Hält der Magistrat die Platzierung
im internationalen Ranking - z.B. auf Platz 7 oder 8 - für ein legitimes und
sinnvolles Planungsziel für einen Flughafen ? 2. Auf welche Faktoren führt der Magistrat die
Rückstufung des Flughafens Frankfurt im internationalen Ranking von Platz 7
(2003) auf Platz 11 (2012) zurück ? 3. Welche konkreten negativen wirtschaftlichen Folgen
sind in der Rhein-Main-Region nach Auffassung des Magistrats durch die unter 2.
beschriebene Rückstufung des Flughafens Frankfurt im Ranking eingetreten ?
4. Welche weitere Entwicklung im
internationalen Ranking erwartet der Magistrat für den Flughafen Frankfurt für
die kommenden 5 bis 10 Jahre angesichts der bereits jetzt erkennbaren
Entwicklung der derzeit auf den Plätzen 12 bis 20 befindlichen Flughäfen
(Hongkong, Denver, Bangkok, Singapore, Amsterdam, New York, Guangzhou, Madrid,
Istanbul) ? 5. Wie bewertet
der Magistrat die Konkurrenzfähigkeit des Flughafens Frankfurt gegenüber den
unter 4 genannten Flughäfen angesichts der Flugbeschränkungen, der
Personalkosten und der Akzeptanz in der jeweiligen Bevölkerung ? 6. Worauf führt der Magistrat die
Abweichungen der Ist-Zahlen von den Prognosen der Fraport AG bezüglich der
Anzahl von Flugbewegungen, Passagieren, Beschäftigten und dem Frachtaufkommen
von etwa 30 % innerhalb von nur 8 Jahren zurück ? 7. Welche konkreten negativen wirtschaftlichen Folgen
sind in der Rhein-Main-Region nach Auffassung des Magistrats durch die unter 6.
Beschriebenen Abweichungen der Ist-Situation von den jeweiligen Prognosen
eingetreten ? 8. Hält der
Magistrat eine Prognose für seriös bzw. korrekturbedürftig, deren Annahmen
(jährliches Wirtschaftswachstum 3 %, Ölpreis 40 USD) bereits zum Zeitpunkt der
Prognose überholt waren ? 9.
Hält der Magistrat den Betrieb einer Landebahn für
sinnvoll und verantwortbar, deren Betrieb zu einer erheblichen - jedoch
vermeidbaren - Belastung für die Bevölkerung führt und die - jedenfalls derzeit
- nicht benötigt wird, um den aktuellen Flugverkehr abzuwickeln ? Antragsteller:
RÖMER
Antragstellende Person(en):
Stadtv. Bernhard
E. Ochs
Stadtv. Dr. Dr. Rainer Rahn
Stadtv. Dr. Erhard
Römer Vertraulichkeit: Nein dazugehörende Vorlage:
Bericht des
Magistrats vom 06.12.2013, B 557
Zuständige Ausschüsse:
Haupt- und
Finanzausschuss Versandpaket: 14.08.2013 Beratungsergebnisse: 26. Sitzung des
Haupt- und Finanzausschusses am 10.12.2013, TO I, TOP 5
Beschluss: nicht auf TO
Es dient zur Kenntnis, dass der Magistrat
zwischenzeitlich einen Bericht (B 557) vorgelegt hat.
Aktenzeichen: 83 1